Bauphysikalische Erläuterungen |
(Auszug
aus meiner Diplomarbeit 1982)
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Inhaltsverzeichnis: 1.0
Wärmespeicherung |
1.2.2 Wärmeaustausch zwischen Raumluft und Bauteil
Zum
Verständnis der ausgleichenden Wirkung wärmespeichernder Bauteile
auf Temperaturschwankungen und zur Ableitung von Bemessungskriterien müssen
die Voraussetzungen und Bedingungen für den Wärmeaustausch zwischen
Raumluft und Bauteil beachtet werden. Dieser Wärmeaustausch ist abhängig
vom Vorhandensein einer Temperaturdifferenz und dem zeitlichen Verlauf
der Wärmeschwankungen, von der Wärmeeindringgeschwindigkeit
in das Bauteil (Wärmeeindringzahl b), von dem Wärmeübergang
zwischen Raumluft und Bauteiloberfläche (Wärmeübergangszahl
a)
sowie der Größe dieser Oberfläche.
1.2.2.1 Temperaturdifferenz und zeitlicher Schwankungsverlauf
Die
Wärmeübertragung ist direkt abhängig von der Temperaturdifferenz
zwischen Raumluft und Bauteiloberfläche. Diese Temperaturdifferenz
wird durch Wärmeaufnahme bzw. -abgabe des Bauteils ausgeglichen,
woraus folgt, daß Wärmespeicherung grundsätzlich nur Temperaturschwankungen
beeinflussen kann.
Die hier zu betrachtenden Temperaturschwankungen aus wechselnder äußerer
Wärmebelastung, z.B. durch Sonneneinstrahlung, treten mehr oder weniger
im Tagesrhythmus von 24 Stunden auf. Durch die zeitliche Begrenzung des
Temperaturschwankungsbereichs hängt die Wirksamkeit von wärmespeichernden
Bauteilen neben ihrer Speicherfähigkeit auch von der Geschwindigkeit
der Wärmeaufnahrne ab.
1.2.2.2 Wärmeeindringzahl b und Bauteildicke s
Ein Maß für die Wärmeeindringgeschwindigkeit in das Bauteil gibt die Wärmeeindringzahl b
b
= l
x r
x c = (l
x r
x c)1/2 in (Wh 1/2
/m²K). [1/2 = Exponent]
Der Exponent 1/2 zeigt die mit der Zeit sich verlangsamende Wärmeaufnahme
an.
Zum Beispiel hat Holz trotz seines geringen Gewichtes von nur 1/4 gegenüber Beton durch seine etwa doppelt so hohe spezifische Wärme c die halbe Speicherfähigkeit von Beton. Die Einleitung des Speichervorgangs verläuft jedoch bei Beton erheblich schneller, weil seine größere Wärmeleitzahl l eine wesentlich höhere Wärmeeindringgeschwindigkeit b ergibt:
Nadelholz | Beton B1 | ||||
Rohdichte | r |
600
|
kg/m³ |
2400
|
kg/m³ |
spez. Wärmekapazität | c |
0,58
|
Wh/kgK |
0,28
|
Wh/kgK |
Speicherzahl r x c = | S |
350
|
Wh/m³K |
670
|
Wh/m³K |
Wärmeleitzahl | l |
0,14
|
W/mK |
2,10
|
W/mK |
b
= ![]() |
b |
=
7.0
|
W x h1/2/m²K |
=
37,5
|
W x h1/2/m²K |
Trotz
der geringeren spezifischen Wärme dämpft der schwere Beton
gegenüber Holzstoffen Temperaturschwankungen wesentlich wirksamer.
Für eine wirksame Wärmespeicherung sind daher Baustoffe
mit hoher Wärmeeindringzahl besonders günstig. |
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Ausschlaggebende Bedeutung hat die Wärmeeindringzahl der Oberflächenschicht. Bereits sehr dünne wärmedämmende Verkleidungen verringern die Wärmeaufnahmefähigkeit erheblich. |
2.2.3 Wärmeübergangszahl a
Bedingung
für die volle Ausnutzbarkeit großer Wärmeeindringgeschwindigkeiten
ist ein entsprechend großer Wärmeübergang zwischen Raumluft
und Bauteiloberfläche. Dieser ist vor allem abhängig von der
Luftbewegung an der Bauteiloberfläche; je stärker die Luftströmung,
umso mehr Luftteilchen kommen mit der Bauteiloberfläche in Berührung
und vergrößern damit den Wert a.
Üblicherweise rechnet man mit den für "natürliche
Luftbewegung in Innenräumen" bei Wärmedurchgangsberechnungen
festgelegten Wärmeübergangszahlen a;
nach DIN 4108 (zu Wand-und Deckenflächen ai
= 8 W/m²K, zum Fußboden ai
= 6 W/m²K).
Durch geeignete Luftführung mit verstärkter Luftbewegung an
speicherfähigen Bauteilen (Decke) läßt sich die Ausnutzung
der vorhandenen Wärmespeicherkapazitäten verbessern.
1.2.2.4 Größe der Bauteiloberfläche
Wärmespeichernde Innenbauteile sollen eine möglichst große Oberfläche haben, an der die Raumluft ungehindert zirkulieren kann.
Formelzeichen: | Einheit: |
b = Wärmeeindringzahl | in Wh 1/2 /m²K |
l = Wärmeleitfähigkeit | in Wh/kgK |
L = Wärmedurchlaßkoeffizient | in W/m²K |
a = Wärmeübergangskoeffizient | in W/m²K |
1.2.3 Zusammenfassung der bauphysikalischen Hinweise
Bauteilgewicht, Wärmeleitzahl und spezifische Wärme stellen aufgrund ihres unmittelbaren Zusammenhangs mit der Wärmespeicherfähigkeit und der Wärmeeindringgeschwindigkeit die aussagefähigsten Kriterien zur Beurteilung der Speicherfähigkeit von Bauteilen dar. Voraussetzung für ihre Wirkung ist der direkte Kontakt zwischen zirkulierender Raumluft und einer möglichst großen Oberfläche der speichernden Bauteile.
1.2.4 Raumdecken, Dachdecken
Die
Raumdecken bzw. Dachdecken.sind zur Wärmespeicherung besonders geeignet,
da sich vor allem bei kurzfristig auftretender starker Wärmebelastung
größere Temperaturdifferenzen zur wär-meren Luft im oberen
Bereich ergeben.
(Die Nutzung der Raumdecken zur Wärmespeicherung muß im Dachgeschoß
jedoch vernachlässigt werden, da das Einbauen "schwerer"
speicherfähiger Bauteile sich aus statischen Gründen versagt.
Zudem ist die Einhaltung der geforderten lichten Höhe von Aufenthaltsräumen
im Dachgeschoß ein Problem. Die zusätzliche Anbringung speicherfähiger
Materialien würde die zulässige Raurnhöhe verringern.)
1.2.5 Innenwände
Die
Speicherfähigkeit der Innenwände kann zum Raumluft-Temperaturausgleich
im Dachgeschoß sehr wohl beitragen. Bei den Innenwänden im
Dachgeschoßausbau handelt es sich in der Regel um nichttragende
leichte Trennwände (meist < 75 kg/m²).
In diesem Falle ist jedoch eine differenzierte Betrachtung angebracht,
da die Forderung nach höherem Gewicht eine Reihe von Vorteilen leichter
Wandkonstruktionen widerspricht.
In
Abb.32 sind für eine Reihe typischer Innenwandkonstruktionen
die halbseitigen Wärmespeicherka-pazitäten S' pro m²
(beidseitige Wärmebelastung) zusammengestellt. Diese können
insofern als Vergleichswerte dienen, als bei den in Frage kommenden
Wanddicken und einer Wärmeeindringgeschwindigkeit von b >
7,0 Wh1/2/m²K (Holz hat bereits Werte
zwischen b = 6,5 - 9,5) von einer annähernd vollen Ausnutzbarkeit
der Speicherschichten ausgegangen werden kann.1) Dadurch
wirkt sich die höhere spezifische Wärme von organischen
(c ~ 0,58) gegenüber mineralischen Stoffen (c ~ 0,28) aus,
und das Wandgewicht ist zur Beurteilung der Speicherwirkung, zumindest
bei Konstruktionen unter 150 kg/m² allein nicht mehr ausreichend.
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1.3 Außenbauteile 1.3.1 Durchgang äußerer Temperaturschwankungen durch AußenbauteileBei der Wärmespeicherung der inneren Raumumgrenzung wurde deren dämpfende Wirkung durch Wärmeaufnahme bei steigenden und Wärmeabgabe bei sinkenden Tem-peraturen der Raumluft betrachtet. Außenbauteile zeigen zunächst die gleiche Wirkung, jedoch wird ihre Speicherfähigkeit durch die Wärmeeinwirkung von außen, vor allem durch direkte Sonneneinstrahlung beeinflußt. Durch Dämpfung und Verzögerung des im Tagesgang wechselnden Wärmedurchgangs von außen nach innen mindern sie die auf den Raum wirkenden Wärmebelastungen. Wie
in Abschnitt 1.21.2 erläutert, genügt bereits die Zufuhr
kleiner Wärmemengen zur Erhöhung der Raumlufttemperaturen.
Wenn auch in der Regel die direkte Wärmeeinstrahlung in den
Raum durch die Glasflächen bei weitem überwiegt, so soll
doch der Wärmedurchgang bei großen geschlossenen Aussenwandflächen
und Dachdecken so gering wie möglich gehalten werden. |
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1.3.2 Grundlagen zur Bemessung von Außenwänden und Dachdecken Zur Beurteilung von Außenbauteilen bei instationärem Wärmedurchgang von außen nach innen dienen die beiden Kenngrößen Phasenverschiebung und Temperatur-Amplitudendämpfung, zwischen denen bei einschichtigen Bauteilen ein direkter Zusammenhang besteht.
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1.3.2.1 Phasenverschiebung F Der Wärmedurchgang durch das Bauteil benötigt Zeit; zwischen dem äußeren Temperaturmaximum und dem Auftreten der Maximaltemperatur auf der inneren Bauteilfläche liegt ein zeitlicher Abstand. Er wird als Phasenverschiebung F (Phi) der Temperaturmaxima und damit der gesamten Temperatur-Amplitude bezeichnet und in Stunden (h) angegeben. Bei entsprechend hoher Phasenverschiebung werden äußere Wärmebelastungen während des Tagesverlaufs erst zu einer Zeit an der Wandinnenseite wirksam, in der bereits wieder niedrige Außentemperaturen herrschen und eine Abkühlung des Raumes durch Fensterlüftung möglich ist. Eine große Phasenverschiebung ergibt sich aus hohem Wärmedurchlaßwiderstand 1/L des Außenbauteils und hoher Wärmeeindringzahl b des Baustoffs. Sehr leichte Außenwände haben eine Phasenverschiebung von weniger als 3 Stunden, schwere Außenwände mit genügend hohem Wärmedurchlaßwiderstand, z.B. Mauerwerkswände, erreichen ideale Werte um 12 h. Bei Konstruktionen mit nur mäßig hoher Phasenverschiebung von 4 bis 6 h läßt sich durch entsprechenden Schichtenaufbau ein voller Ausgleich durch die Dämpfung der Temperatur-Amplituden erreichen (vergl. 5.1 in Abb. 34) |
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1.3.2.2 Temperatur-Amplitudendämpfung Q
Die
Temperaturdifferenzen der Außenluft zwischen Minimum und Maximum,
d.h. die Temperatur-Amplitude der Tagesschwankung, werden auf die äußere
Bauteiloberfläche übertragen, wobei das Maximum durch direkte
Sonnenstrahlung stark erhöht werden kann. Infolge der Phasenverschiebung
bei der Weitergabe der Maximaltemperatur im Bauteil fließt ein Teil
der Wärmemenge bereits wieder an die inzwischen abgekühlte Außenluft
zurück ("instationärer" Vorgang), so daß die
Temperaturdifferenz der Bauteilaußenseite an der Bauteilinnenseite
verringert auftritt, die Amplitude also gedämpft wird.
Das Verhältnis der Temperaturamplituden auf der äußeren
Bauteiloberfläche (DJa)
zu der auf der Innenoberfläche (DJi)
ist die Temperatur-Amplitudendämpfung Q
(Theta) als dimensionslose Verhältniszahl:
Q
= DJa
/ DJi
= Ja
max - Ja
min / Ji
max - Ji
min
Betragen beispielsweise die Extremwerte der Tempera-turen an der Außenseite einer Hochlochzie-gelwand am Tage + 32°C und + 12°C in der Nacht, auf der Innenseite dagegen (ohne Einfluß der Nutzung und direkten Sonneneinstrahlung durch das Fenster) + 23°C und +21°C, dann hat diese Wand eine Amplitudendämpfung von
Q
= 32°C - 12°C / 23°C - 21°C = 20 K / 2 K = 10
Die Werte für die Temperatur-Amplitudendämpfung sollen möglichst hoch und > 4 sein. Bei einschichtigen Konstruktionen steigen sie mit den Werten der Phasenverschiebung an. Bei mehrschichtigen Konstruktionen können sie von den Werten der Phasenverschiebung stark abweichen; sie haben ausschlaggebende Bedeutung.
Den reziproken Wert der Ampltudendämpfung nennt man das Temperatur-Amplituden-Verhältnis (TAV)
n = DJi / DJa.
Seine Werte (zwischen 0 und 1) sollen möglichst niedrig und <
0,25 sein.
Die Abhängigkeiten der Temperatur-Amplitudendämpfung und Phasenverschiebung von den Baustoffeigenschaften und dem konstruktiven Aufbau ist den Vergleichen in Abb. 34 und Abb. 35 zu entnehmen;
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Der vorstehende Vergleich zeigt eindeutig, daß eine große Amplitudendämpfung durch eine mehr-schichtige Konstruktion aus einer innenliegenden Schicht mit hoher Speicherkapazität und einer äußeren Schicht mit guter Wärmedämmung erreicht wird. Bei großer Wärmeeindringzahl der Innenoberfläche hat eine solche Konstruktion den anfangs erwähnten Vorteil, daß sie - solange ihre Speicherkapazität von außen her nicht ausgelastet ist - auch Wärme aus der Raumluft aufnehmen kann. Bei konsequenter Trennung in dämmende und speichernde Bauteilschichten ist die Phasenverschiebung geringer als bei Verwendung von gleichzeitig dämmenden und speicherfähigen Baustoffen. Eine entsprechend dem Tagesgang optimale Phasenverschiebung von 10 - 12 Stunden ist mehrschichtig mit konstruktiv und wirtschaftlich vertretbaren Bauteildicken nicht erreichbar, aber auch nicht erforderlich, da sie bei hoher Amplitudendämpfung von geringer Bedeutung ist. Eine Phasenverschiebung von 6 - 8 Stunden ist bei genügender Amplitudendämpfung als ausreichend anzusehen, da die Sonneneinstrahlungsdauer für Außenwände höchstens 6 - 8 Stunden beträgt und sich bei dieser Phasenverschiebung die stärksten Wärmebelastungen in der Regel erst später auswirken, wenn bereits wieder niedrigere Außentemperaturen herrschen, so daß eine Abkühlung der Räume durch Fensterlüftung möglich ist.
Auch im Winter bewirkt die Wärmespeicherung ein ausgeglichenes Raumklima; starke Temperaturschwankungen der Raumluft durch wechselnde Belastung - schnelle Aufheizung bei Besonnung oder schnelle Auskühlung bei Fensterlüftung - werden vermieden. Im Hinblick auf die Energieeinsparung kann hierzu jedoch keine pauschale Aussage gemacht werden. Die stets dämpfende und verzögernde Wirkung der Außenwand und Speicherfähigkeit der Innenbauteile kann nur im Zusammenhang mit Nutzung, Art der Wärmedämmung und Regelung der Heizanlage gesehen werden. |
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Auszug aus meiner Diplomarbeit
Technische Universität Berlin (TUB)
IAIP, Fachgebiet Klimagrechtes Bauen
Prof. Dipl.-Ing. Hasso Schreck, Fachbereich 21
Berlin im Aril 1982
überarbeitet im Juni 2000
Dipl.-Ing.
Klaus Roggel
Architekt